Freitag, 24. Februar 2017

Kurz betrachtet: Warum das 4-1-0-4-1 funktioniert

In seinen ersten Wochen und Monaten als neuer VfB-Trainer zeigte sich Hannes Wolf, womöglich auch aus der Not heraus, als Anpassungscoach, der verschiedene Systeme ausprobierte und ein paar hervorragende, aber auch mal nicht ganz so gute Gegneranpassungen probierte und seiner Mannschaft gleichzeitig zu Stabilität verhalf. In der Winterpause war dann endlich Zeit, über mehrere Wochen hinweg, taktisch zu arbeiten, und das wurde offensichtlich getan. Das Resultat davon ist quasi die Extremversion des alten VfB-4-1-4-1/4-2-3-1-Huts.

Das Mittelfeldzentrum war noch nie* der beste Freund des VfB. Ansätze, kreativen Fußball durchs Zentrum zu spielen, stellten sich meistens als zu instabil heraus und sorgten dafür, dass man in der deutschen Konter- und Pressingliga ständig auf die Mütze bekam. Deshalb waren die meisten halbwegs erfolgreichen Systeme eher pragmatisch angelegt mit Flügelspiel, Kontern, Mannorientierungen und einem markanten 4-1-4-1/4-2-3-1-Mix, der typischerweise von der offensiven Sechserrolle Christian Gentners verursacht wurde.

Diese Grundausrichtung war meiner Meinung nach immer ein bisschen alibihaft, weil es oft als Standard-Stabilisierungsmaßnahme genutzt wurde und dabei halt einigermaßen zum Kader und vor allem zu einem gewissen Kapitän passte. Diesem Status ist das neue System entwachsen. Das Rückrunden-4-1-4-1 bringt die Grundprinzipien deutlich konsequenter und in durchdachterer Form auf den Rasen - ohne frei von Problemen zu sein.

In Ballbesitz sieht das wie folgt aus: Die Viererkette steht sehr tief. Der Rechtsverteidiger hat fast nur defensive Aufgaben, während Insua ein bisschen mehr unternehmen darf. Im Spielaufbau bildet der VfB mithin oft eine Dreierkette. Der Sechserraum davor wird von nur einem Spieler bearbeitet, wobei Insua sich manchmal noch mit einschaltet. Der Sechser bildet mit den spielstarken Innenverteidigern ein anpassungsfähiges Dreieck, das den Ball sicher in der ersten Linie laufen lassen soll. Davor agieren quasi fünf Stürmer in einer klar abgesteckten Raumaufteilung und definierten Ablaufmustern.

Typische Aufbausituation mit ungefähren Wirkungsradien der Spieler.


Eine Frage, die ich mir gestellt hab (/immer noch stelle), um dieses System zu kapieren, ist folgende:


Kaum Mittelfeldpräsenz - wird man da nicht ständig ausgekontert?


Ich denke der Clou ist, dass man nach Ballverlust immer vier Spieler hinter dem Ball hat. Und zwar wirklich immer. Dadurch dass die Grundräume so klar aufgeteilt sind, kommt es kaum vor, dass Raum hinter den Außenverteidigern aufgeht oder dass der Sechser den Sechserraum nicht besetzt hält. Das vereinfacht die Rollen allgemein und speziell die Absicherung enorm. Würde zum Beispiel Gentner noch zurückfallen, ein Flügelspieler einrücken oder ein Außenverteidiger aufrücken, müssten diese Bewegungen erstmal balanciert werden und das schafft Raum für Missverständnisse, bedeutet im schlechten Fall Formationslöcher und verringert den Zugriff nach Ballverlust.

Dazu kommt, dass die meisten Zweitligisten (eine Ausnahme sind sicher Bernd Hollerbachs Würzburger) richtig kacke darin sind, Räume im Zentrum dynamisch auszunutzen.** Selbst eine Mannschaft wie Heidenheim, die sehr vertikal spielt und ausgezeichnete Kontermechanismen abspult schmeißt eigentlich vielversprechende Ausgangslagen mit unambitionierten Querpässen weg, wenn der direkte Ball in die Spitze nicht möglich ist. Dadurch muss der VfB die Räume um den Sechser herum gar nicht zukriegen. Es reicht wenn die vier bis fünf Absicherer den Angriff verzögern und den Achtern und Flügelspielern Zeit zum Rückwärtspressing verschaffen.

Außerdem fokussiert sich der VfB selbst eher auf die Flügel, wenngleich nicht mehr so extrem wie in vielen Phasen unter Luhukay und Wolf in der Hinrunde. Findet man keinen Weg nach vorne, kommt auch mal ein billiger Pass die Linie entlang auf den breiten Flügel oder den rausrochierenden Achter. Gelegentlich murmelt man sich so über Einwürfe nach vorn und kann dem Pressing des Gegners Momentum wegnehmen. Die individuelle Klasse sorgt dafür, dass der VfB auch in engen Situationen den Ball nicht verliert. Deswegen spielen außen auch versierte Dribbler und keine verkappten Stürmer wie Asano mehr.

Was kann man dagegen tun?


Fünferkette spielen.*** Oder sich was anderes Schlaues überlegen. Eine Erkenntnis der letzten Spiele ist, dass es eine Menge Aufwand benötigt, die Innenverteidiger und den Sechser mit nur zwei Spielern zu kontrollieren. Erst recht wenn sich der Sechser so präzise in den Schnittstellen positioniert wie Anto Grgic. Sandhausen hat das mit einem guten 4-2-3-1-Pressing hingekriegt. Ansonsten müsste man einen weiteren Spieler dazunehmen, läuft dann aber Gefahr gegen die Stürmer in Unterzahl zu geraten.

Eine weitere Möglichkeit: Angriffspressing. Das hat Heidenheim 45 Minuten lang gut hinbekommen und ihnen zu irren 24 Abschlüssen in einer Halbzeit verholfen. Vielleicht neigt man (und ich geh da einfach mal von der Art meiner eigenen Überlegungen aus) dazu, sich gegen offensivpräsente Gegner zu sehr darauf zu konzentrieren, wie man die Offensivpräsenz mit möglichst viel (natürlich geschickt platzierter) Defensivpräsenz kontert, anstatt einfach zu versuchen, den Gegner nicht nach vorne kommen zu lassen und vielleicht die eine oder andere theoretische Instabilität in der letzten Linie zu riskieren.

Ansonsten helfen natürlich, siehe oben, gute Konter und ein paar Schnatterers im Team zu haben. Generell dynamische, dribbelstarke, diagonale Spieler die den Ball durchs Mittelfeld treiben können. Gute Weiterleitungen. Auch hochwertiges Ballbesitzspiel könnte klappen. Das Pressing des VfB hat bislang noch keiner so richtig konsequent geprüft. Vor diesem Hintergrund tippe ich darauf, dass die Stolpersteine der Hinrunde auch in der Rückrunde wieder die schwierigsten Spiele werden. Bochum, Würzburg, Dresden, wie gesehen Heidenheim, Aue (natürlich nur, wenn wieder die coolen Jungs ran dürfen). Ach, und Braunschweig kann ja Fünferkette. Das Spiel ist schon nächste Woche...


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* Freak-Ausnahmen: Das 4:0 gegen Fürth unter Wolf, das eine 0:0 gegen Mainz unter Kramny und die verrückte Veh-Phase mit 4-3-2-1 und so Zeugs. Was übrigens zeigt, dass es ohne riesen Aufwand auch anders gehen würde.

** Das wirft bei mir übrigens die Frage auf, ob "Kontermannschaften" nicht gerne mal mit Teams verwechselt werden, die intensiv pressen und Leute haben, die schnell rennen können.

*** Tatsächlich hat Düsseldorf dann so unintensives, mannorientiertes 4-2-3-1-Gedöns mit "halber Fünferkette" gespielt und wurde völlig dominiert.

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