Auf den ersten Blick ist Insua ein robuster, zuverlässiger, relativ kompletter Linksverteidiger mit Geschwindigkeitsdefiziten. Im Gegensatz zu vielen Kollegen auf seiner Position lässt er sich aber nicht so richtig als offensiver oder defensiver Spieler deklarieren, sondern bringt in beide Richtungen Qualität mit.
Hier Insuas Netzdiagramm aus dem lesenswerten Statistikartikel von Niemals Allein über die Außenverteidiger der zweiten Liga. Abgesehen von den eh nicht so wichtigen Klärungen alles überdurchschnittlich und ausgewogen verteilt. |
Offensivaktionen
(Wem die Videos zu langatmig sind: Der Zusammenschnitt gegen Bielefeld ganz unten reicht eigentlich zum angucken.)
Nach vorne dürften seine Flanken in der vergangenen Saison am meisten Eindruck hinterlassen haben. Dabei spielt er wegen seiner geringen Endgeschwindigkeit eigentlich gar nicht so häufig die klassische Flanke aus dem Lauf, sondern schlagt sie eher aus einer engen Position aus dem Halbfeld heraus. Auffällig ist, dass er sich dafür günstige Situationen heraussucht und den Ball dann gedankenschnell in die richtige Zone bringt, wenn er eine gefährliche Konstellation im Strafraum erkannt hat. Das war besonders im Stuttgarter System eine wichtige Qualität, weil der VfB in kurzer Zeit immer viel Strafraumpräsenz, vor allem am langen Pfosten herstellen konnte. So waren 7 seiner 8 Torvorlagen in der vergangenen Saison Flanken, obwohl seine Hereingaben technisch gar nicht mal konstant gut sind und auch mal eine auf Kniehöhe angeflogen kommt.
Im Passspiel sieht es ähnlich aus: Ausführung mittelmäßig, aber dank richtiger Ideen trotzdem gut. Neben seinen überwiegend kurzen und sinnvoll beruhigenden Pässen kann er das Spiel auch mit strategisch gut gewählten Diagonalbällen beschleunigen. Heraushebenswert sind außerdem seine starken diagonalen Dribblings von außen ins Zentrum, wo ihm dann aber in schwierigen Situationen ein bisschen die hochwertige Anschlussaktion fehlt. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es sicher einen Haufen Außenverteidiger gibt, die am Ball spielstärker, dynamischer oder kreativer sind. Aber schon bedeutend weniger, die so gute Entscheidungen treffen wie Insua.
Positionierung
Einzelaktionen sind aber ohnehin nicht der Grund, warum Insua so ein essenzieller Spieler für das Offensivspiel des VfB ist. Und damit nähern wir uns seiner vielleicht spektakulärsten Qualität – nämlich dem Bewegungsspiel. Was einem beim Schauen von VfB-Spielen sofort ins Auge fällt, ist, dass er sich ungewöhnlich oft vom linken Flügel löst und stattdessen im offensiven und defensiven Halbraum unterwegs ist. Anders als zum Beispiel bei Guardiola-Teams ist das vermutlich kein primär vom Trainer verursachtes Phänomen (schließlich spielte er sogar unter Kramny so) und wurde auch nicht durch klares Positionsspiel vereinfacht, sondern ergab sich ganz natürlich aus den Eigenheiten des Spielers (und auch denen des traditionellen VfB-Systems, Stichwort: unterbesetzter Sechserraum und breite Flügel).
Wenn Insua ballfern ist, steht er meist schon etwas eingerückt da und orientiert sich dann während der Verlagerung in unterschiedliche Räume. Welche Räume das sind, war in den vergangenen zwei Jahren immer unterschiedlich und hing vor allem von seinen Mitspielern und vom genauen System ab. Hinter dem linearen, defensivfaulen Flankendribbler Kostic konzentrierte er sich neben seinen Defensivaufgaben vor allem auf gezieltes Vorderlaufen und öffnete seinem Vordermann somit den Flügel oder den Rückpassweg ins Zentrum. In der Anfangsphase unter Wolf, als Maxim vor ihm einen weit einrückenden Linksaußen spielte, stand Insua konstant breiter, ebenso als er als Flügelverteidiger in einer Fünferkette aufgeboten wurde. Spielte der VfB 4-1-4-1 war vor allem das absichernde Einrücken prägend und wichtig, um den einzigen Sechser bei der Raumabdeckung zu unterstützen. Zuletzt spielte Insua wieder hinter Maxim, der zwischen tiefem Spielmachen, hohem Einrücken und einer klassischen Dribblerrolle pendelte. So wurden auch Insuas Aufgaben komplexer und es entstand eine sehr stimmige, vielfältige linke Seite.
Faszinierend an dieser für einen Außenverteidiger so ungewöhnlichen Rolle Insuas ist, dass sie gar nicht so richtig aufzufallen scheint. „Insuas Positionierung ist heute aber wieder verrückt!“ gehört nicht unbedingt zu den meistgehörten Sätzen an VfB-Spieltagen. Vielleicht liegt diese Unauffälligkeit zum Teil an der wunderbar nahtlosen Art und Weise, wie sich Insua in das taktische Geschehen einfügt und daran anpasst. Es passiert einfach kaum, dass er einrückt und plötzlich gibt es außen keine Anspielstation mehr, oder dass seine Seite zu offen ist und im Konter überrannt wird. Dank seiner guten Orientierung und seines Spielverständnisses macht Insua in der Positionierung kaum Fehler. Steht der Linksaußen tief und breit, bleibt er eng. Fehlt jemand, der Breite gibt, schiebt er auf die Außenbahn raus. Ballfern rückt er zuverlässig in freie Räume ein, teilweise füllt er sogar den Zehnerraum auf. So sorgt er nicht nur für eine ausgewogene Struktur, sondern auch für eine sehr gute Konterabsicherung. Wenn Insua spielt, funktioniert die linke Seite einfach. Und das unabhängig von der übrigen Besetzung. Wie viele Außenverteidiger gibt es im Spitzenfußball, die das leisten können?
Defensivspiel
Für die Arbeit gegen den Ball gilt vergleichbares. Hier hat er natürlich eine engere Bindung zu seiner Grundposition, welche aber nicht zum Selbstzweck ausgeübt wird. So sieht man von Insua viele herausrückende Läufe, die teilweise extrem weit gehen, wenn die Situation es zulässt. Seine Orientierungsfähigkeit hilft ihm dabei, diese Läufe sehr balanciert zu gestalten und immer auch Gefahren in seinem Rücken zu erkennen und zu berücksichtigen. Wenn er zum Beispiel den gegnerischen Rechtsaußen (ohne Ball) nach innen verfolgt und der Rechtsverteidiger gerade überläuft, registriert er das schnell und schafft es meistens rechtzeitig zurück auf seine Grundposition, um den Lauf abzufangen.
Gleichzeitig ist seine Antizipation extrem stark und sauber. Oft schiebt sich Insua im genau richtigen Moment vor den möglichen Passempfänger, wenn der Ballführende gerade unter Druck gerät und ihm die Passmöglichkeiten ausgehen. Auf diese Weise braucht Insua gar nicht erst in den Zweikampf zu gehen und kann im ersten Moment ohne direkten Gegnerdruck den Konter einleiten. Sein auf den ersten Blick durchaus riskioreiches Herausrücken wird dadurch sehr erfolgsstabil. Gleichzeitig ist Insua aber auch ein guter Zweikämpfer, der seine sehr gute Physis mit einer guten Zweikampftechnik verbindet.
An dieser Stelle hätte ich ihm aus meinem Seheindruck heraus einen Hang zu Fouls, insbesondere taktischer Natur unterstellt, wohl weil seine Geschwindigkeitsdefizite im Umschaltmoment mehr zu Buche schlagen. Der Blick auf sein Radar zeigt allerdings, dass Insua sogar weniger Fouls begeht als der durchschnittliche Zweitligaaußenverteidiger und ein weiterer Blick auf die Statistik zeigt, dass er sogar nur zwei gelbe Karten in der gesamten Saison bekommen hat, und das obwohl er praktisch keine Spielminute verpasst hat. Beide Karten gab es übrigens für taktische Fouls. Wenig Fouls und davon vermutlich viele im Umschaltmoment, ich denke das unterstreicht ganz gut die Sauberkeit seiner Defensivarbeit im geordneten Pressing (wenngleich er auch und gerade im defensiven Umschalten hervorragend ist).
Danke für die Analyse. Für mich ist Insua auch einer der Besten im Kader... jetzt weiß ich endlich warum. ;)
AntwortenLöschenJa besten Dank! Mein persönlicher Eindruck wird hier sachkundig bestätigt. Es ist generell erstaunlich, wie wenig Spieler es auf Profi-Level zu einem ähnlich gutem Spielverständnis schaffen. So wie es Lahm, Alonso und ähnliche Typen virtuos beherrsch(t)en.
AntwortenLöschenGrüße
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